Flay hat definitiv ein Problem in geschlossenen Räumen, d.h. auch in der Wohnung. Draußen, vor allem ohne Leine, ist er entspannt, locker und hat Freude am Leben. Wenn er auch dort manchmal erschrickt, dann zuckt er nur mal oder macht einen kleinen Ausweichbogen. Ganz anders sieht es innen aus, da ist er nach wie vor sehr ängstlich und schreckhaft, aber wir arbeiten weiter daran und es gibt auch hier immer wieder Fortschritte.
Flay bellt nach wie vor in der Wohnung, wenn ich nicht da bin. Nachdem es langsam besser wurde, ist es seit Wochen wieder wie am Anfang lt. Nachbarn. Ich bemerkte gleichzeitig, dass er oft sehr nervös und übersteigert bei meiner Heimkehr war und er förmlich an mir klebte. Anukas Gelassenheit scheint da gar nicht auf ihn abzufärben oder ihn zu beruhigen. Klingel/Telefon wurde auf stumm geschalten, was nichts geändert hat. Also musste nun doch umdisponiert werden...
Also ist er nun seit 3 Wochen mit in der Arbeit und erlebt täglich neue Abenteuer, wird gefordert, aber auch verwöhnt!
Die ersten Tage waren für ihn heftig, er fand so gar keine Ruhe. Obwohl ich ein Büro für mich alleine habe und nur ab und zu mal jemand kommt, tigerte und hechelte er sehr. Die Wege zur Arbeit und nach Hause gingen wir erstmal zu Fuß, auch das war für ihn nicht einfach, da viele große Straßen mit Verkehr, vielen Menschen und auch mitten durch die Innenstadt mit vielen Menschen kreuz und quer dabei sind.
Am 3. Tag konnte er sich dann im Büro hinlegen, fuhr aber bei den kleinsten Geräuschen sofort hoch, die Wege ging er schon gelassener, aber immer darauf bedacht bei mir in der Nähe zu sein. Seit der 2. Woche liegt er entspannt im Büro, wie zu Hause auch. Alle Kollegen reagieren positiv auf ihn, sind aber selbst oft erschrocken, weil er gleich so ängstlich reagiert, haben aber alle viel Verständnis und bewegen sich nun ruhig und langsam, sprechen freundlich mit ihm und freuen sich, wenn er sich streicheln lässt. Eine Kollegin bemerkte erst gestern, dass ihre normale Hektik nachläßt und sie das ruhige und langsame Bewegen durch mein Zimmer ihr gut tut.
Eine andere Kollegin im Nebenzimmer hat nun immer Wiener Würstchen im Kühlschrank! Jeden Morgen und jeden Mittag (sie macht Betreuung für Flay, wenn ich ihn mittags zum Kantinenessen nicht mitnehmen kann) bekommt Flay von ihr ein Würstchen. Natürlich hat er das schon "abgespeichert", kommen wir in die Arbeit, möchte er am liebsten zu ihr ins Nebenzimmer, traut sich aber noch nicht wirklich alleine. Die Kollegin hat mal aufgepasst, wie lange er ohne meine Anwesenheit ruhig ist: 7 Minuten, dann weint er, dann bellt er und rennt aufgeregt im Kreis. Sie beschäftigt sich nun mit ihm in Rücksprache mit mir, läßt ihn Sitz und Platz machen und er bekommt dann wieder ein Stück Würstchen, wenn er sitzt oder liegt. Das klappt jeden Tag besser, meine Kollegin ist stolz wie Oskar über ihre und seine Erfolge.
Bis gestern hatte ich knapp 2 Wochen Vertretung einer anderen Kollegin, das heißt viele, viele Bürger, die in mein Büro platzen. Davor hatte ich etwas Schiß, weil die Leute natürlich keinen Hund erwarten, zumal keinen schreckhaften. Aber nein, auch hier waren die Reaktionen positiv, oft ein kurzes "Huch", aber nachdem Flay bei jedem Türöffnen hinter mich flüchtete und seine Angst deutlich zeigte (wie immer halt), kam eher "Oje, der hat ja Angst", ein Lächeln usw. Keiner der Bürger hatte Probleme mit Flay.
Seit der 2. Woche "Flay ist Assistent in der Arbeit" fahren wir nun auf dem Hinweg mit der U-Bahn, heimwärts laufen wir meistens. Der Eingang zur U-Bahn, die Treppe, das Einfahren, das Knallen der Türen, die Menschen, und in der U-Bahn ja erst recht... alles ganz schrecklich für Flay. Aber nur die ersten Tage, mittlerweile beobachtet er zwar alles aufmerksam und mißtrauisch und bereit zur Flucht, geht aber gut mit und liegt nun in der U-Bahn, hat aber alles und jeden im Auge (seine Nackenmuskeln sind vor lauter Rundum-Beobachtung extrem ausgeprägt). Er legt sich von selbst, keine Panik, nur Beobachten.
Heimwärts laufen wir meisten, auch das geht sehr gut. Klar, Fluchtversuche bei plötzlichen Geräuschen, ein immer langsamerer oder kriechender Flay bei zu viel Menshen oder plötzlichen Hindernissen (kann auch eine Mülltonne oder ein Auto oder ein Kinderwagen sein) muss ich immer einkalkulieren.
Flay erinnert mich ein bißchen an einen autistischen Menschen. Alle Abläufe, alle Zeiten müssen immer gleich sein, dann fühlt er sich relativ sicher. Kleinste Abweichungen bringen ihn in Panik und Verwirrung. Aktuelles Beispiel ein Haus 3 Häuser weiter auf dem Weg zum Gassigehen und zur Arbeit, es wird gerade renoviert. Menschen, Maschinen, Mörteleimer vor dem Haus, geht gar nicht! Flay läuft dann quer, Hinterfüße zur Straße, Kopf und Augen zur "Störquelle". Aber er springt meist nicht mehr unkontrolliert wie ein Flummy durch die Gegend! Das gleiche Verhalten auch, wenn vor einem Haus etwas abgestellt ist (Fahrrad reicht), das dort normal nie ist...
Meist bleibe ich dann kurz davor stehen, damit er sich die "Gefahrquelle" ausgiebig betrachten kann, bis er ruhig wird (gut ist, dass Flay sehr neugierig ist!).
Nach wie vor sehr wichtig für ihn, "potentielle Gefahr- oder Störquellen" begutachten oder bei Geräuschen, Bewegungen ständig wiederholen, bis er sie packt. Ein Kanaldeckel, der beim drüber laufen klackert, bringt ihn in Panik. Nach etlichen Gängen und etlichen Klackern, ist es für ihn ok. ABER nur bei DIESEM Kanaldeckel, an dieser Stelle. Der nächste Kanaldeckel, der klackert, ist wieder fremd und macht Angst.
Nach wie vor, es ist nicht einfach mit Flay, ich muss Augen und Ohren ständig offen halten und Dinge vor ihm erfassen, muss ständig seine Ausbrüche möglichst vorahnen, um entsprechend gewappnet und darauf gefasst zu sein. Er kann urplötzlich aus irgendeinem (für mich) unbedeutendem und erst unerklärlichen Grund zum unkontrollierten Flummy werden. Das heißt auch, dass er hinter mir seitlich vorbei springt, mir die Leine in die Kniekehlen geht und ich mich noch kurz vor dem Fallen halten kann. Oder er springt mir in die Füße, was auch Stürze hervor ruft bzw. hervor rufen kann.
Flay zeigt mir aber auch jeden Tag, wie sehr er das Leben genießt und ich freue mich daran, gönne es ihm. Er ist einfach ein toller Hund !!! Das meine ich wirklich ehrlich. Flay ist sehr brav und ansonsten unkompliziert. Ich kann ihn an Stellen von der Leine lassen, wo ich es bei Anuka (ein bißchen dickköpfig) nie tun würde, denn Flay verliert von sich aus nie den Kontakt, die Nähe zu mir. Selbst wenn er mal mit Gras fressen oder von einem Geruch oder Hund fasziniert ist und alles vergisst, reicht ein normales "Flaaaaay", der Kopf ruckt sofort und er gibt Gas ohne Ende. Darauf kann ich mich verlassen und das ist toll. Er ist immer freundlich zu Menschen und Hunden, er geht nie nach vorne, sondern zurück. Ihm fliegen die Menschenherzen zu, Hundezwistigkeiten geht er von selbst aus dem Weg, scheut Konfrontationen.
Flay ist ein klasse Hund, ich liebe ihn ohne Ende. Wir arbeiten weiter und weiter und weiter...
Nächste Bewährungsprobe: Flays linkes Auge eitert und tränt seit ein paar Tagen. Nun soll er Euphrasia bekommen, mal schauen, wie er auf die Tropfen reagiert...